30. August 2022

Muttermilch ist leichter und schneller verdaulich, da sie Verdauungsenyzme und wenig Casein enthält. Ungünstiges Stillmanagement kann auch dazu führen, dass das Baby die sättigende Hintermilch nicht bekommt. Außerdem sind Flaschenmahlzeiten oft größer, da sie fürs Baby leichter verfügbar sind. Schließlich wirkt auch Stärke in 1er, 2er und 3er Säuglingsnahrung besonders sättigend. Alle diese Faktoren können dazu führen, dass ein gestilltes Baby schneller wieder hungrig wird als ein Flaschenbaby.

Wenn du überlegst, deinem Stillbaby die Flasche zu geben, damit das Baby länger satt ist, solltest du zunächst deine Hebamme kontaktieren. Die kann mit dir besprechen, ob eine verbesserte Stilltechnik nicht auch helfen kann, dein Baby länger zu sättigen. Davon abgesehen, ist es völlig normal, dass Babys häufig stillen wollen. Es tut ihnen gut, es sättigt und beruhigt sie und gibt ihnen die Nähe, die sie brauchen – gerade bei Entwicklungssprüngen.

Wie schnell wird Muttermilch, bzw. Pre-Nahrung verdaut?

Je kleiner das Baby ist, umso schneller wird Milch generell verdaut. Dazu kommt, dass der Magen noch kleiner ist. Daher ist es normal, dass jüngere Babys häufiger gestillt bzw. gefüttert werden müssen, als größere Babys.

Muttermilch verlässt den Magen grundsätzlich schneller als Flaschennahrung. Muttermilch wird in zwei Phasen verdaut. In der ersten Phase verlässt ein großer Teil der Milch den Magen. Flaschenmilch wird linear verdaut, also gleichmäßig. Manche Modelle gehen sogar davon aus, dass es bei Flaschenmilch eine Verzögerung gibt, bevor sie den Magen wieder verlässt.

Bei frühgeborenen Babys zwischen 1 und 9 Wochen ist es so, dass der Magen des gestillten Babys schon nach 25 Minuten wieder zur Hälfte leer ist, während der Magen eines mit der Flasche gefütterten Babys erst nach etwa 50 Minuten wieder zur Hälfte leer ist. Nach einer Stunde haben gestillte Babys 23% mehr Milch verdaut als mit der Flasche gefütterte Babys.

Bei gesunden Babys zwischen 1 und 6 Monaten dauert es allerdings 48 Minuten, bis Muttermilch zur Hälfte den Magen verlässt, bzw. 78 Minuten bei Flaschenmilch.

In der folgenden Tabelle habe ich aufgeschlüsselt, wie viel Milch zwei Stunden nach einer Mahlzeit noch im Magen verbleibt:

Art der MilchMilch-Rest nach 2 Std.
Muttermilch18% (bis zu 29%)
Pre HA16% (bis zu 37%)
Pre39% (bis zu 56%)
Folgemilch47% (bis zu 66%)
Kuhmilch55% (bis zu 74%)
Anteil der Milch (Durchschnittswert, bzw, Höchstwert), der nach 120 Minuten noch im Magen zurückbleibt, aufgeschlüsselt nach Art der Milch. Quelle: Billeaud et. al 1990

Niemand weiß, wie schnell der Magen eines Babys nach einer Mahlzeit leer ist. Man weiß allerdings, dass Pre HA fast so schnell verdaut wird wie Muttermilch. Pre Nahrung wird langsamer verdaut. Folgemilch braucht mindestens doppelt so lang wie Muttermilch, bis sie verdaut ist. Stillberaterinnen schätzen daher, dass Muttermilch nach 1 1/2-2 Stunden verdaut ist, während es bei Flaschenmilch 3-4 Stunden dauern kann. Es ist also völlig normal, dass gestillte Babys schon früher wieder hungrig sind.

Muttermilch enthält Verdauungenzyme.

Forscher haben eine große Zahl von Enzymen in der Muttermilch entdeckt, die das Baby bei der Verdauung der Muttermilch unterstützen. Anfangsmilch oder Folgemilch enthält keine Enzyme, und das Baby mit dem noch unausgereiftem Verdauungtrakt muss die Milch allein mit seinen eigenen Enzymen verdauen. Daher ist es kein Wunder, dass Muttermilch kürzer im Verdauungstrakt verweilt als Säuglingsnahrung.

Flaschenmilch sättigt gleichmäßiger.

Beim Stillen verändert sich die Zusammensetzung der Muttermilch während der Stillmahlzeit. Diese „Milchphasen“ bezeichnet man als Vorder- bzw. Hintermilch.

Zunächst trinkt das Baby die Vordermilch, die weiß und dünnflüssig ist und viel Laktose enthält. Diese Vordermilch stillt den Durst des Babys.

Anschließend kommt die Hintermilch aus der Brust. Diese Hintermilch ist dicker und enthält mehr Fett. Sie sorgt daher für eine lang anhaltende Sättigung.

Trinkt das Baby nur die fettarme Vordermilch aus der Brust, ohne je an die Hintermilch zu gelangen, dann wird die Muttermilch besonders schnell verdaut. Das kann dann dazu führen, dass das Baby bald wieder hungrig ist. Weiterhin kann es zu Verdauungsproblemen wie Blähungen, Schmerzen und schaumigem Stuhl kommen, da die Laktose nicht richtig verdaut werden kann.

Wenn dein Baby keine Probleme hat, dann stille es bitte weiter wie bisher.

Bemerkst du aber Anzeichen für ein unausgewogenes Verhältnis von Vordermilch und Hintermilch, ist es sinnvoll, das Baby zunächst eine Brust vollständig leeren zu lassen, bevor das Baby zur anderen Seite wechselt. Wird das Baby während einer Mahlzeit an der ersten Brust satt, bevor es zur anderen Seite wechseln kann, sollte bei der nächsten Mahlzeit dieselbe Seite angeboten werden, damit das Baby auch die Hintermilch bekommt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang natürlich, darauf zu achten, dass das Baby richtig angelegt ist, damit die Brust optimal entleert werden kann.

Im Vergleich zur Muttermilch, die aus flüssiger Vordermilch und sättigender Hintermilch besteht, ist die Zusammensetzung der Flaschenmilch zu jedem Zeitpunkt dieselbe und sättigt somit gleichmäßiger. Deshalb machen Eltern manchmal die Erfahrung, dass Pre längert satt macht als Muttermilch.

Säuglingsnahrung hat eine andere Zusammensetzung von Proteinen.

Pre-Milch ist in seiner Zusammensetzung eigentlich der Muttermilch nachempfunden. Dennoch unterscheidet sich Säuglingsnahrung in einigen Faktoren von der Muttermilch, unter anderem bei den Proteinen.

Milch enthält zwei wichtige Proteine, das Kasein (Casein) und das Molkenprotein (auch als Whey bekannt). Während das Molkenprotein flüssig bleibt, verfestigt sich das Kasein im Verdauungstrakt und bekommt eine quarkähnliche Konsistenz. Dadurch hat Kasein einen länger anhaltenden Sättigungseffekt.

Kolostrum hat nur ca. 10% Kasein im Bezug auf das Gesamtprotein. Reife Muttermilch enthält zwischen 20% und 40% Kasein. Da frühere Schätzungen von 40% Kasein zu 60% Molkenprotein ausgingen, enthält Pre-Milch genau dieses Verhältnis. Tatsächlich aber enthält Muttermilch oft auch weniger von diesem sättigenden Kasein.

Bei Folgemilch ist das Verhältnis noch deutlicher, sie enthält ca. 60% Kasein im Bezug auf das gesamte Protein.

Art der MilchEnergiegehalt (pro 100ml)Verhältnis Kasein / Molkenprotein
Kolostrum40-60 kcalca. 10:90
Reife Muttermilch66-69 kcalzwischen 20:80 und 40:60
Pre Anfangsmilch66 kcalca. 40:60
1er Anfangsmilch68-71kcalca. 40:60
2er, 3er Folgemilch66-70 kcalca. 60:40
Kuhmilch66 kcalca. 80:20
Energiegehalt und Proteinzusammensetzungen verschiedener Arten von Muttermilch, Säuglingsnahrung und Kuhmilch. Quellen: Liao et al. 2017, Gidrewicz & Fenton 2014, Kunz&Lönnerdal 1992, eigene Recherche zu den Produkten

Je höher der Kasein-Gehalt der Milch, desto länger hält die Sättigung an. Pre- und 1er Anfangsmilch können mehr Kasein enthalten als Muttermilch und daher etwas sättigender sein. Folgemilch hat einen noch höheren Kaseingehalt und ist somit noch sättigender.

Folgemilch weist zusätzlich einen höheren Gesamtproteingehalt auf. Während der Proteingehalt von reifer Muttermilch über die Wochen und Monate des Stillens abnimmt, enthält Folgemilch sogar mehr Protein als Pre-Milch. Dieses zusätzliche Protein kann auch zu längerer Sättigung führen. Allerdings steht der hohe Proteingehalt unter Verdacht, späteres Übergewicht zu begünstigen, so dass das kein positives Merkmal der Folgemilch ist. In dem hier verlinkten Artikel bespreche ich genauer, welche Nahrung du stattdessen füttern solltest.

Stärke in Säuglingsnahrung ist sättigend.

1er Anfangsmilch und Pre-Nahrung unterscheiden sich darin, dass in der 1er-Anfangsmilch Stärke zugesetzt ist. Stärke ist auch in 2er und 3er Folgenahrung enthalten.

1er Anfangsmilch ist liefert dadurch etwas mehr Energie als Pre-Milch. Vor allem aber führt die zugesetzte Stärke zu einem längeren Sättigungseffekt.

Allerdings raten manche Hebammen bei 1er-Milch zur Vorsicht, da die Stärke das Verdauungssystem der Neugeborenen belasten kann.

Flaschenmilch ist gleichmäßiger verfügbar.

An der Brust zu trinken erfordert etwas Durchhaltevermögen. Das liegt daran, dass die Milch nicht gleichmäßig fließt, sondern abhängig vom Milchspendereflex in der Brust: Beim ersten Milchspendereflex fließen ca. 45% der gesamten Milchmenge. Der zweite Milchspendereflex wird erst nach ca. 3 Minuten ausgelöst und der dritte Milchspendereflex nach ca. 5 Minuten. Dabei fließt jeweils immer weniger Milch aus der Brust. Immer wieder muss das Baby also quasi „trocken saugen“, bevor es wieder mit Milch belohnt wird. An der anderen Brust beginnt alles wieder von vorne.

Ein mit der Flasche gefüttertes Baby hingegen bekommt seine Milch kontinuierlich. Viele Flaschensauger sind auch sehr durchlässig und das Kind muss sich nicht stark anstrengen. Daher liegt es nahe, dass ein Baby an der Flasche mehr trinkt, bevor es das Interesse verliert und sich abwendet. Diese größeren Flaschenmahlzeiten können dazu führen, dass das Baby länger satt ist, als ein gestilltes Baby.

Fazit

Viele Eltern wünschen sich mehr Schlaf und einen entspannteren Tagesablauf. Flaschenbabys haben oft größere Abstände zwischen den Mahlzeiten als Stillbabys. Flaschennahrung und Muttermilch unterscheiden sich in einigen Faktoren, die tatsächlich dazu beitragen, dass Flaschenbabys länger satt sind. Aber auch ein gutes Stillmanagement kann zu einem zufriederen Baby beitragen. Und außerdem ist es völlig normal, dass Stillbabys häufig angelegt werden wollen – sie sind gerne an der Brust.

Alles Liebe

Sarah

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